Montag, 18. Januar 2016

Hugo Groths Veröffentlichungen in den Mühlhäuser Geschichtsblättern



Hauschronik 1905 -1943

Hugo Groths Hauschronik 1905 -1943 (Diese Chronik existiert als Typoskript in privater Hand.)

Hugo Groth. (geb. 19.6.1872 in Danzig, gest. 17.4.1972 in Treffurt Thüringen)

"Mit Gott fang' an mit Gott hör' auf, das ist der beste Lebenslauf!

---- Unrecht Gut gedeihet nicht

Alles Mit Gott

Ordnung hilft haushalten. ------

Wer den Pfennig nicht ehrt,ist des Thalers nicht wert

Kleine Ursachen, große Wirkungen

Wer geringe Mühe wenig acht', sich um gering're Mühe macht."

Es folgen exakte Einnahmen und Ausgaben Tabellen für die Zeit April 1895 bis Juli 1896. Dann folgt ein "Verzeichnis der mir gehörigen Gegenstände. Arnsberg, im Januar 1899 (?)". Diese Listen enden nach einigen Seiten und er beginnt:

" 1905 ein Tag vor dem ersten Advent: Hauschronik zu Nutz und Frommen der heranwachsenden lieben Jugend entworfen und zusammengestellt, auch zur ergötzlichen und friedlichen Erinnerung unserer selbst, wann wir im Alter einst Rückschau halten über unseren Lebensweg. Hier folgt ein Zitat von Horaz!

Gez. Hugo Groth, pater familias.

Warum ich auf die schnurrige Idee oder besser auf den schnurrigen Einfall gekommen bin, eine Hauschronik zu schreiben? Das will ich wohl beantworten. Es ist nicht das erste Mal, dass ich den Versuch mache. Drei oder viermal habe ich schon damit vor Jahren begonnen, Aber mit Ausnahme einiger Seiten oder einzelner Sätze, die mein bestes Wollen dem neugierigen Leser versichern, ist nichts weiter daraus geworden. Und wer weiß, was diesmal daraus wird. Der Geist ist willig.

Warum ich nun gerade jetzt noch einmal wieder damit mutig anfange, dass ich meine, diesmal wird wirklich etwas daraus, das liegt daran, dass meine Stimmung besonders tief und nachhaltig aufgerührt worden ist mit all dem Drum und Dran von Vaterlands und Heimatliebe, von Liebe zu meinem Hauswesen und all den großen und kleinen Krabben und dem verträumten Zauber, der sich auf all die großen und winzigen Erlebnisse gelegt hat, die wir mit unserem warmen und empfindsamen Herzen vor langem oder kurzem erlebt hatten.Und was mir all die so vertrauten und so lieben Bilder, Menschen und Erlebnisse wieder lebendig und geradezu zum Aufschreiben dringend vor die Seele gerufen hat, das ist ein plattdeutsches Büchlein gewesen: "Kasper Ohm un ick“ von John Brinkmann. Ich habe das Buch schnell durchgelesen, vieles daraus vorgelesen und einen Appetit danach bekommen, dass ichs gerne gleich wieder von vorne anfange.

In diesem Büchlein, das des Lesens wirklich wert ist,hat nür eine Stelle besonders Spaß gemacht, und den Gedanken an eine Hauskronik in mir wieder wachgerufen, nämlich die Stelle, wo der "Andrees" bei „Kasper Ohmen" den "feinen Juktus(?)" lernen soll. Da sagt der Andrees zu seinen jugendlichen Zuhörern: (den folgenden Text übertrage ich aus dem Plattdeutschen, da das für mich nicht genau zu lesen ist)

" Eigentlich soll das aufgeschrieben werden, Kinder! Kann sein dass das Kinder und Kindeskinder noch Spaß macht, so eine alte Familienchronik von Anno Tobak ............ und das gesamte Theatrum Mundi."

Und das mein ich auch; und weil es mir so recht aus dem Herzen gesprochen ist, so hat es auch solche Wirkung bei mir gehabt. Und nun wollen wir 'mal sehen, wie lange sie vorhält und was daraus alles wird. Olpe,d. 30sten November1905. Hugo

(hier folgt ein kurzer Bericht über einen Vortrag vom Vorabend über das "zweite Gesicht –­der "Spookenkieker" zu dem 300 bis 400 Zuhörer gekommen waren. Dann dauert es ein Jahr bis zum nächsten Eintrag!)

Olpe, d. 3ten Oktober 1906

(Nach einigen spöttischen Bemerkungen zur möglichen Kritik an der langen Schreibpause geht es so weiter:)

...... Ich täusche mich über mich selbst gar nicht; allein ich stehe mitten in einem Wirbel, also kein ruhiges oder eingleisiges Fahrwasser. Ich habe viele Interessen, ich weiß von vielem Etwas und von vielem noch nichts, ahne aber dessen Bedeutung für den Wert und die Wahrhaftigkeit des Lebens und werde dabei unruhig, weil mich nichts mehr ärgern kann als wenn ich etwas falsch oder unpraktisch mache. Die Erkenntnis besitze ich wohl, dass unsere Anschauungen durch die geschichtliche Entwicklung und durch unser beschränktes Wissen allezeit einem Fehler unterworfen werden, allein das lässt mich nicht ruhig handeln, sondern nur danach trachten die Klarheit und Wahrheit über die Dinge meiner Zeit mir zu erwerben, die menschenmöglich ist und den Culminationspunkt bedeutet. Somit habe ich die Verpflichtung eingeimpft bekommen (woher ist mir gleich), zu lernen und zu suchen. Dabei gerät man in tausend Fahrwässer, die alle von einem Punkte aus gehen als von dem einen Wort (Werk ?) des Menschen "Bedürfnis"'. Somit werde ich wohl noch eine Weile im Strudel herumgetrieben werden, bis ich selbst die Kraft gewinne, aus dem Wirbel zu tauchen und am Ufer dem Spiel der Wellen zusehe. Das will ich mal "mein Programm" nennen, meine Lebensweisheit; ich fühle in mir die Kraft (heute wenigstens nicht geringer als früher, eher stärker), Herr der Wellen zu werden. Und ich habe das Vertrauen zu meinem Gott, dass Er mir den rechten Weg weisen wird. Mögen andere Leute ganz anders handeln. Chacun a son gout. Ich muß am besten wissen, wo mich der Schuh drückt und kann nicht wissen, wie es im Gehirn anderer Menschenkinder aussieht. Ich brauche also nun wohl keine Worte über meine mangelhafte Berichterstattung zu verlieren. Nur das will ich sagen, weil ich überzeugt bin, dass jede Gegenrede in einem Punkte wenigstens Recht hat: ich hätte doch einige Worte zeitweise dem Leser andeuten können, daß ich an mein Vorhaben wohl noch denke, nur wegen Zeitmangel eine längere Beschreibung nicht niederlegen kann. Das habe ich versäumt, das ist die gewohnte Schwäche; ich habe bis heute überhaupt nicht mehr daran gedacht. Und auch heute habe ich eigentlich mehr nur durch Zufall meine Chronik vorgenommen, der ersten Seiten wegen, weil ich nämlich meine sämtlichen Habseligkeit aufschreiben und bewerten will, der Ordnung halber, wie ich ja auch sonst noch genug in meinem Hausstande zu ordnen und praktisch einzurichten habe, Was mir mehr wert ist als selbst die beste Chronik. Erst errichten, dann betrachten. So meine ich, ists allein richtig. Daher geht mein Gedächtnis auch mal schlafen, wenn eine Sache vorläufig in den Hintergrund tritt. Und dass ich davon soviel Worte nun mache, das tu ich deshalb, weil ich annehme, meinen Kindern wird es wohl einst auch einmal ergehen, sofern sie überhaupt sich als lebensvoll und tatkräftige Menschen erweisen wollen. Und da kann es ihnen ja leicht passieren, daß sie an sich selbst irre werden und verzweifeln, indem sie meinen, sie bringen es zu nichts durch dieses halbe und schwache Wesen. Ich glaube, ich werde ihnen hiermit beweisen können, dass sie sich unnütz Sorgen machen. Nur müssen sie die Gedanken ihrer Kindheit und ihre einstigen Wünsche hochhalten als wären sie die eine Wahrheit. Abgesehen von der kindlichen Liebhaberei . Kutscher oder Schornsteinfeger oder Soldat oder sonst noch was ähnliches werden zu wollen: liegt in den Wünschen, die geistig unser höchstes Interesse und unsere größte Erregung einst hervorziehen, ein Stück Selbstbestimmung, Zugehörigkeit, Lebensaufgabe. Und solange meine Kinder sich an diese ihre kindlichen Gefühle noch erinnern können und warm dabei werden solange haben sie noch nichts verloren oder vergessen oder sind dem Strudel gegenüber zu schwach.

Ich höre jetzt außerdem auf, weiter zu schreiben, weil mich dienstliche Aufgaben in Anspruch nehmen. Es regnet stark und gleichmäßig vom Himmel. Außenarbeit ist nicht möglich. So sitze ich denn im Zimmer und erledige zunächst mal sogen. Officialarbeiten in der jedem Kenner geläufigen umständlichen Form des preuß. Bureaukratismus. Ach! Dass ich noch Beamter geworden bin ! Ich wünschte, ich könnte fliehen dorthin, wo allein die Sache, die gute Sache gilt und vertreten wird und nicht irgendein alter Zopf als Heiliger verehrt wird, namentlich wenn er voll Läusen wimmelt, dass es einen schon überall juckt, wenn man nur an ihn denkt.

Den 6ten Nov. 1906: (eine Notiz über den Gebrauch des Wortes "Sage" als Substantiv zum Verb "sagen".)

Mühlhausen i. Thür., den 16.Januar 1914. Soweit sind wir nun schon und nichts steht auf dem Papier, sodaß die schöne Hausgeschichte wieder einmal ins Stocken gekommen ist. Es gilt aber immer noch das, was ich auf den vorderen Blättern einst geschrieben habe: " erst errichten, dann betrachten . Ich könnte mich jetzt wieder einmal von Herzen aussprechen, allein neben mir sitzt Hanna, mein Weib und will mit mir die Ausgaben besprechen und Rechnung legen vom Haushalt und es ist schon bald 10 Uhr abends. So magst du dich, liebes Buch noch ein wenig, gedulden; ich bleibe dir doch treu.

Mühlhausen i. Thür., d. 12ten Januar 1919. Fünf Jahre sind vergangen, seitdem ich dies Büchlein wieder aufgeschlagen habe. Was ist in dieser Zeit nicht alles geschehen! Der Krieg, der seit dem 1ten August 1914 unsere Volkskraft in Spannung und unser ganzes Sein mit Fesseln gehalten hat, er ist auch jetzt noch nicht zu Ende. Wir genießen nur einen schmachvollen Waffenstillstand, den unsere siegreichen Feinde jederzeit durch neue, noch härtere Bedingungen unterbrechen wollen. Das linke Rheinufer ist von uns den Bedingungen entsprechend geräumt worden, Cöln, Coblenz, Düsseldorf u.s.w. sind vom Feinde besetzt, die besten Schiffe, alle Unterseeboote sind abgeliefert. Tausende von Eisenbahnwagen und Lokomotiven müssen wir abliefern, dgl. Flugzeuge, Maschinengewehre, kurz unsere ganze Wehr und Waffen, und das alles, obwohl wir nicht geschlagen sind, sonden in Feindesland tief noch standen, Belgien in Besitz hatten und reichlich Menschen und Munition u. die nötigen Lebensmittel fürs Heer besaßen! Unser Volk hat sich selbst von unten und von oben her zersetzt, sodaß kein Verlaß mehr auf die Truppen wenn auch nicht auf alle war.

Und jetzt herrscht die Sozialdemokratie oder besser gesagt, sie muß sich ihrer Haut wehren gegen die Bolschewisten, die Spartakusleute; es herrscht in Berlin die reinste Anarchie. Jetzt zeigt sich auch für die gemäßigten Sozis, dass nur eine auf bewaffnete Macht gestützte Herrschaft sich behaupten kann. Denn selbst die besten Vorsätze und Reformen sind anderen Leuten immer noch ein Dom im Auge.­

Unser Kaiser ? ist nach Holland geflüchtet. Er hat oder richtiger: er wurde gezwungen der Krone zu entsagen. Und so ging es den anderen Fürsten und Gewaltigen auch. Jetzt herrschen die Wahlagitationen zur Nationalversammlung, die am 19ten d. Mts. sein soll. Aber ob sie überhaupt und wo zu stande kommen wird, ist bei dem Kampf der Unabhängigen Sozialdemokraten, den Spartakusleuten oder Bolschewisten mit den gemäßigten Genossen um die Herrschaft noch sehr, sehr zweifelhaft. Und jenen Bolschewisten ist es auch ganz gleich, dass die Entente droht, in Deutschland die Industriebezirke zu besetzen, wenn keine Ruhe und Ordnung eintritt, sie wollen und sehen nur Ziel: Sturz der bisherigen bürgerlichen Ordnung.

Ach! Was könnte man alles über die traurige Lage schreiben, in der sich unser Vaterland jetzt befindet! Im Osten spielen die Polen sich als Herrscher auf und verlangen Zugang zur Ostsee, unserer alten Heimatstadt Danzig und Ostpreußen, ganz zu schweigen von den alten ehemaligen polnischen Gebietsteilen, die Preußen 1793 u.95 erhalten hat.

Unsere Älteste, Luise (geb. 10.2.1901), ist bei der Tante Hedwig in Essen a/Ruhr. Es geht ihnen noch ganz gut. Bruder Paul ist noch mit Frau und dem jüngsten Kinde in Berlin, die beiden Schwestern in Danzig. Wir sehnen uns nach gegenseitiger Aussprache. Hanna besucht eifrig alle Wahlversammlungen und sonstigen Vorträge, die die Frauen, die ja jetzt auch Stimmrecht haben, über die Ziele der einzelnen Parteien aufklären sollen. Besonders hat ihr vorgestern die Rede der demokratischen Rednerin Frl. Dr. (Gertrud) Bäumer, einer älteren, im sozialen Kampf ergrauten Dame, gefallen. Heute am Sonntag ist sie mit Heinrich (geb.20.2.1904) in die Untermarktskirche gegangen, um dort einen Vortrag des Seminardirektors Jung, der der deutschnationalen Volkspartei angehört, über die Schule und den Religionsunterricht zu hören. Ich habe ein schlimmes Bein seit Wochen und bin deswegen in keiner Versammlung gewesen; es zieht mich auch nicht dahin, denn ich kenne ja doch zu gut das wirkliche Spiel hinter den Kulissen. Ich bin Demokrat von jeher, wenn ich auch als Beamter der konservativen oder reaktionären Partei habe dienen müssen. Ich habe meine Pflicht treu erfüllt, bin aber auch nichts weiter geblieben als ein "Untertan“, ein Sklave der "staatserhaltenden“ Partei, deren Parole lautet, wie ein Komiker (Otto Reuter) einmal sang: "Halts Maul, und sing' die Wacht am Rhein!“

Mühlhausen i. Thür., d. 19. Jan. 1919 Heute ist also der große, wichtige Tag, der für die Zukunft unseres weiten Vaterlandes bedeutungsvoll werden soll, der Tag zur Nationalversammlung, an dem zum ersten Male Männer und Frauen gemeinsam zur Wahlurne gehen, um die Männer und Frauen zu wählen, die über die Ausgestaltung, besser gesagt, über den neuen Aufbau unseres Vaterlandes gesetzlich beraten sollen. Wir gehören hier zum 36. Wahlkreis, Großthüringen. Wir haben in dem Gasthaus „zur Wolfsschlucht" gewählt. Hanna und ich haben der deutschdemokratischen Partei unsere Stimmen gegeben, trotz der starken Bedenken, die wir haben, dass das so mächtige jüdische Kapital samt ihrer allmächtigen Presse uns in seine Bahnen schleppen wird. Wir sind aber voll Vertrauen, dass die starken, jetzt frei gewordenen Volkskräfte ein gutes Gegengewicht bilden werden, um jene fremden Gewalten in unserem deutschen Vaterlande uns dienstwillig machen zu können. Der Tag ist ruhig verlaufen, die Wahl ging recht von statten. Gott helfe weiter. "Arbeiten und nicht verzweifeln" ist jetzt das Losungswort.

Mühlhausen i.Thür., den 11.Januar 1920 Jetzt ist es bald ein Jahr her, dass die Nationalversammlung die Geschicke unseres Vaterlandes in den Händen hält. Viel ist gearbeitet worden, aber noch mehr geredet und vor allem vorbeigeredet. Und noch eins: Im Hintergrund in der Verwaltung sitzen noch genau jene reaktionären Hirne und ehemaligen Herrschernaturen, die gerne die allgemeine Verwirrung vergrößern und zu ihren Sonderbestrebungen benutzen. Denn leider muß man sagen, dass es noch genug Menschen in unserem Vaterlande gibt, die aus dem verlorenen Krieg und der gewesenen Revolution kaum etwas anderes gelernt haben ,als das, dass die verwünschten Sozialdemokraten an allem schuld sind und es höchste Zeit ist, dass sie wieder ans Ruder kommen. Wie wenig verstehen doch solche auf sie (sich?) und ihre angemaßte Gewalt eingebildeten Leute die Zeichen der Zeit, denen man doch demutsvoll besinnlich und schuldbewusst gegenüberzutreten hat, sei man wer oder was man wolle. Das "wir sind allzumal Sünder" ist für solche Leute nicht geschrieben. Ich habe schon oft vor Jahren, schon in Olpe zu Pastor Otten, geäußert, dass unsere Zeit der der Zeitgenossen Luthers sehr ähnlich ist. Es bildet sich in den Köpfen eine neue Reformation, die nicht auf religiöse Mißstände sich beschränkt, sondern die Persönlichkeit des Menschen zum Gegenstand hat. Das Erwachen des Wertes des eigenen Ichs ist es, das in dem revolutionären Streben der bisher in oft drückender Abhängigkeit lebenden Arbeiterklassen im tiefsten Grunde sich regt. Dabei darf man zu den Arbeitern nicht nur die Handarbeiter zählen, sondern auch die Kopfarbeiter und zwar hinauf bis in die mittleren Beamtenkreise, denen ich auch angehöre.

Was nun dies Jahr bringen wird? Zunächst am 10ten Januar endlich (?) den ratifizierten Frieden. Es kümmerte sich von der Menge wohl kein Mensch mehr eigentlich um diese Formhandlungen, wenn nicht dadurch endlich unsere Gefangenen uns zurückgegeben werden müssten. Übrigens machen sich die Gefangenen oft ein falsches Bild von der Heimat. Ich kenne Leute, die es nur bedauern , wieder in der Heimat zu sein, weil sie es in der Gefangenschaft d.h. für die mir bekannten Fälle allerdings immer englische Gefangenschaft besser hatten als jetzt daheim. So schlecht hatten sie es sich in der Heimat doch nicht vorgestellt. Was soll nun werden? Wir sehen mit Grauen in die Zukunft. Jetzt fangen schon wieder wilde Streiks an. Luise, die zurück nach Essen zur Schwester Hedwig fahren soll, weil die Weihnachtsferien zu Ende sind, kann nicht fahren, weil in Schwerte und auf anderen Stationen von den Eisenbahnern gestreikt wird. Die Teuerung wird immer größer, und trotz der Teuerungszulagen haben die Beamten durch den deutschen Beamtenbund die Erhöhung derselben um 150% gefordert. Die Eisenbahner fordern jetzt einen Stundenlohn von 3,50 M. Die Kommunisten halten Vorträge über den baldigen Untergang der bestehenden Regierung. Die Unzufriedenheit der verschiedensten Berufsgruppen wächst täglich. Dabei machen sich in gewissen Kreisen, d.h. in solchen, die auf irgendwelche Weise jetzt billig Geld verdienen (es sind solche Leute von oben bis in die einfachsten Arbeiterkreise zu finden) Luxus und Genusssucht in übler Weise bemerkbar. Wer könnte lange bei all dem Hässlichen bleiben, das sich jetzt wie übrigens auch schon vor der Revolution so erschreckend breit macht. Ich kann und will keine Geschichte der Zeit schreiben, ich will nur hin und wieder Dinge berühren, die uns in unserem engeren Kreise zu einer bestimmten Stellungnahme zu ihnen veranlassen und damit unser persönliches Ich nachhaltig beunruhigen und beeinflussen. Jetzt hat endlich mein Bruder Paul in Danzig einen Raum für eine Werkstätte gefunden und dazu im Vorderhaus ein kleines Büdchen. Er will mit seinem Freunde Budzinski, den er bei Windler in Berlin kennen gelernt hat, und der ein hervorragender Kopf im Konstruieren von Maschinen ist, zusammen eine Werkstatt eröffnen, die er mir bezeichnet als: Werkstätten für Feinmechanik, Vernickelungs Anstalt, Künstliche Glieder und Apparatebau, Konstruktionsbüro, Reparaturwerkstatt. Er ist noch am Einrichten. Aber was kostet das jetzt alles. Er hat sich 30.000 M. geborgt und sie auf sein Haus in Langfuhr, Ernsthausenstr. 10 eintragen lassen. Gott helfe ihm! Wir wollen nicht müde werden in innerer Sammlung unsere schwachen Kräfte zu ordnen u. für unsere Ziele uns in stiller ruhiger Arbeit vorzubereiten, damit, wenn die nächsten Wochen uns vor neue Tatsachen stellen, wir ihnen klar entgegentreten können und die rechten Folgerungen daraus ziehen, sodaß uns der Strudel nicht mit in den Abgrund reißt. Wir stehen in Gottes Hand.

Zum Schreiben keine Ruhe und keine Zeit gehabt bis heute Nordhausen,d.8.Febr. 1937

Heute mehrere Stunden mit Schwester Hedwig die Briefe und Familienurkunden durchforscht wegen der Familie Katz, von der wir durch unsere Großmutter Auguste Dorothea Katz, geb. 14.8.1809, gest. 26.2.1889 zu Gr. Garde i. Pom. abstammen. Nordh. d.8.Febr. 1937 am Geburtstage meiner lieben Mutter Luise Groth, geb. Krummreich. Hugo Groth, Vermessungsrat.

Nordhausen, d. 3. Oktober 1937. Erntdankfest! Unser Führer, Adolf Hitler, spricht auf dem Bruckberg zu Hunderttausenden unserer Volksgenossen. Ein selten schöner Herbsttag. Wir, Martha, Hedwig und ich haben den Nachmittag im "Parkschlößchen" bei Kaffee und Zwetschgenkuchen gemütlich verlebt. Die herbstliche Färbung der Baumkronen und des Himmels, die Stille der milden Luft und das behagliche Wandern und Schlendern der Spaziergänger rufen ein wonniges Behagen in uns allen hervor. Welch' eine Wandlung in unserem Vaterland seit unser Führer am 30. Januar 1933 Kanzler des deutschen Reiches wurde! Und nun die "Achse Berlin Rom" : Hitler Mussolini! der Besuch des italienischen Regierungschefs Mussolini in Berlin und bei den Manövern im Pommernlande in der vergangenen Woche war und bleibt das größte politische Ereignis dieses Jahres. Zwei Friedensfürsten ohne adlige irdische Abstammung aber geistiger Berufung!

Nun bin ich seit dem 30sten September „ledig aller Pflicht“ dem Staate gegenüber und kann nun mein "Privat" Leben mir nach meinem Willen gestalten. Meine Entlassungsurkunde ist mir wegen dienstlicher Verhinderung von meinem Vorgesetzten Regierungs- u. Kulturrat Steinbach noch nicht ausgehändigt worden. Meine Arbeiten in meiner letzten Umlegungssache Wendehausen b/Treffurt a.d.Werra habe ich noch bis zum 29sten September d.J. soweit erledigt, dass die geringen Restarbeiten auch von jedem anderen meiner Amtsgenossen, ohne Schwierigkeiten zu befürchten, zu Ende geführt werden können. – Ich bin dessen sehr froh und scheide mit einem beruhigenden Gefühl der Zufriedenheit darüber aus meiner dienstlichen Tätigkeit. Alle meine Arbeit habe ich jederzeit unter den Segen Gottes gestellt und bin gewiß, dass Er sie für alle beteiligten Menschen gesegnet hat. – Mein Leben wird weiter ein "Arbeiten“ sein an mir für Alle, die meiner bedürfen, soweit ich ihnen nach dem Willen der ewigen Liebe etwas sein darf und muß um meiner ewigen Art und Kraft willen.

Am Sonnabend, den 2ten Oktober bin ich auf das hiesige Amtsgericht gegangen und habe dort meinen Austritt aus der evangelisch lutherischen Kirchengemeinde angemeldet. Wie der Beamte mir sagte, erhalte ich in nächster Zeit noch eine Bescheinigung darüber. Ich hatte bisher mit dem Austritt um der Einstellung meiner Schwestern und Kinder willen gewartet. Doch nun, da meine Tochter Leni mich gebeten hat bei ihrem am 25. Septbr. geborenen Töchterlein Pate zu sein, muß ich den längst beabsichtigten Schritt tun. Ich ehre allen frommen Glauben. Und keine Glaubensform ist mir verächtlich und des Spottes wert. Nur bin ich darum frei von jeder kirchlichen Bindung und mag sie heute auch den "Gläubigen" kaum spürbar sein. Sie ist doch da und muß der Glaubensform wegen da sein, wenn das "Bekenntnis" nicht in eitel Dunst sich wider Willen doch verschleiern soll. Mein Blickfeld ist durch die Lehre meines hohen Lehrers Bo Yin Ra so geweitet worden, dass alle Glaubensformen in mir Platz und Raum zum Ausbreiten haben. Was soll mir da noch ein "Bekenntnis" kirchlicher Eigen-Art!? ­ Ewige Liebe! forme mich nach Deiner ewigen Schöpferkraft

Wendehausen, den 5.April 1942

Es ist still um mich in meinem Zimmer. Nur von außen dringt das Geschrei von Hühnern aus der Ferne zu mir und polternd stürzt das Wasser im Haselbach über die Steinstufe vor dem tiefen Kolk, den es jagend im tollen Tanze mit den klobigen Eisblöcken bei der Schneeschmelze in das Bett des Baches gerissen hat. Aber das Ticken der alten Uhr auf dem Wäscheschränkchen neben mir kann er doch nicht übertönen. Der Himmel ist mit Wolken überzogen; sie stehen im Kampfe mit der Sonne, die schon einmal schüchtern auf mein Tagebuch fiel, aber ihre Neugier nicht lange befriedigen konnte, weil die wandernden Wolken sich wieder zusammenballten. Jetzt sind sie wieder auseinandergegangen und das Wasserblau des Himmels kommt überall zum Vorschein; und jetzt fällt auch wieder ein kräftiger Sonnenstrahl auf meinen Schreibtisch. Der Wald an den Bergrücken, die mein breites Fenster wie zwei schwer im Bilde daliegende langgestreckte Kulissen rechts und links begrenzen, ist noch schwarz, und braun schimmert zwischen den hohen schlanken Stämmen das dürre Laub des Vorjahres hervor. Auch die Wiesen zeigen noch ihre schmutzig grüne Farbe, und die Obstbäume auf ihnen stehen noch nackt und wie tot in den berasten Obstgärten, auf die mein Blick fällt, wenn ich meine Augen vom Buch erhebe und durchs Fenster schaue. Und doch ist es Frühling. Die Vögelchen haben heute früh gar fröhlich den ersten Ostertag begrüßt und ihre Lebenslust hinausgeschmettert wie zum Trotz, damit die beklommenen Menschenherzen es auch ja glauben sollen, dass es wirklich Frühling ist. Die Häuser aber stehen schweigend da und kein Mensch ist zu sehen und zu hören. Ich habe sie aber doch vor einer Weile gesehen. Nun sind sie in ihrer Kirche zum Gottesdienst versammelt und feiern die Auferstehung des Herrn, unseres Erlösers aus den Banden des Fürsten dieser Erde, des "Fürsten der Finsternis“ wie ihn Jesus von Nazareth genannt hat.

Es ist gut, dass Ostern wieder da ist, und der Winter mit dem vielen vielen Schnee, der seit drei Monaten die Saaten schwer bedrückt und fast überall hier erstickt hat, nun endlich der immer höher steigenden Sonne weichen musste. Denn nun sind es schon zwei und einhalb Jahre, dass der alle Länder umfassende Krieg tobt und seine Opfer fordert am Gut und Blut der Menschen. Und es ist ihnen allen wohl zu gönnen, wenn der Glaube unsere Frontkämpfer beseelt, dass in diesem Jahre die Entscheidung fällt. Nun ist schon seit dem 1.September 1939 dieser Krieg gegen Deutschland und seine beiden Hauptverbündeten Italien und Japan entbrannt. Am 4. September 1939 wurde Heinrich im Kampf gegen die von Gdingen her rückenden Polen bei Groß Katz schwer verwundet. Jetzt ist er aus dem Heeresdienst ausgeschieden als Versehrter und, da er Dipl. Ing. des Tiefbaues ist, in Riga bei dem Reichskommissar für das Ostland, Hauptabteilung IV, Abteilung: Wasserstraßen tätig. Dort hilft er an dem Aufbau und Ausbau unseres größeren Deutschland schon jetzt im Kriege mit. Möge seine Arbeit gesegnet sein für uns und die befreiten Völker des Ostens.

Wendehausen, den 7.April 1942

Vor acht Tagen habe ich hier meinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck geben wollen. Wie es aber im Leben hier auf Erden ist: die Zeit vergeht, und der Tag fordert seine anderen Lebensrechte und ich muß eingebettet oder auch eingewoben im Ganzen mich dem neuen Geschehen fügen. So bleibt alles "Stückwerk" und kann nur durch meinen Formwillen zu einem Ganzen später und allmählich noch verbunden und gestaltet werden. Es ist ein mühsames Werden. Wohl uns, wenn es noch "werden" kann in uns und durch uns! Es ist dieselbe Tageszeit wie vor acht Tagen. Stille umfängt mich und es ist so, als wäre noch nichts anders geworden. Nun sitze ich schon seit dem 29.März (einem Sonnabend) vorigen Jahres (1941) hier in diesem kleinen Ort, an dem ich sechs Jahre dienstlich tätig war und schon 5 Jahre vorher bei der Familie Karl Hardegen wohnte, als ich als "Sachlandmesser" in dem benachbarten Schierschwenda, einem kleinen Höhendorf, die Grundstücksumlegung nebst der Wege- und ­Grubennetz Neugestaltung ausführte.

Wendehausen, den 14. März 1943

Es ist heute Sonntag, abends ¾ 9 Uhr. In meiner warmen Stube habe ich um ½ 7 nachm. mein Abendbrot verzehrt und dabei des verflossenen Tages gedacht. Es war mir beim Spaziergang heute Nachmittag um ¼ 6 durch den Mühlberg, einen bewaldeten Berg am Bahnhof, bei dem schönen trockenen Märzwetter so recht feierlich zu Mute, als ich langsam den Waldweg nach Schierschwende hinaufstieg. Niemand störte mich, nur das dürre Laub raschelte unter meinen Füßen und leiser Vogelruf drang aus der stillen Weite und Einsamkeit zu mir und bewegte meine Seele tief, daß ein unsagbar friedvolles Gefühl meine Seele rührte. Mein Auge trank sich satt an den Linien der Berge, die sich im Tal wie schwere Kulissen in der Ferne Dunst verloren, im Hintergrund matt überragt von einem geraden Bergrücken, auf dem nur einzelne Bäume sichtbar waren. Die Sonne schien noch rechts über den Wipfeln des Ölberges, doch im Tale breitete sich schon der Schatten bis in den fernen Hintergrund aus.

Meine Seele spricht zu mir aus meinem Innersten. Was sie aber sagt, ist nicht in Worte zu kleiden. Stumm bin ich vor mir selber und selbst meine Gedanken wagen es nicht, diese tiefe Stille zu stören. In solchen Augenblicken bin ich mir selber fremd. Und eine brennende Sehnsucht zehrt an mir und kann doch nicht gestillt werden. Warum schreibe ich dies alles auf? Wen geht's was an?! Ein jeder muß seinen Weg wandern. Und wenn es Eheleute sind.

Ich habe soweit ein anderer Mensch dies beurteilen kann noch keine Eheleute gefunden, die so eins miteinander waren, dass man sagen konnte: einer lebt das Leben des anderen mit­.

Es gibt aber solches Mit- und Ineinanderleben. Es soll sehr selten sein. Ich wollte es auch leben. Ich habe es aber doch nicht fertig gebracht, trotz ständigen Mühen. Ich war, als ich heiratete, offenbar noch nicht "reif“ zum Heiraten, Und ich hätte auch noch gewartet; aber ich sorgte mich um meine Braut. Hanna war 1 Jahr und rund 7 Monate älter als ich. Und es hieß unter den Leuten: eine Frau mit 30 Jahren gebiert schwerer als wenn sie noch jünger ist. Da sorgte ich mich um meine junge Liebe, denn Hanna war 1899, als wir im Dezember heirateten, schon 29 Jahre alt, sie hat am 24. November Geburtstag. Heute weiß ich, dass solche Rede dummes Zeug ist. Damals aber vor 44 Jahren war ich noch nicht frei von allem dem, was die Menschen einander alles in bester Absicht sagen und raten. Ich war und bin ja auch heute noch ein "Zeitgenosse"; ein Kind meiner Zeit war ich immer gewesen und habe alle Irrtümer mit meinen Alters und anderen Zeitgenossen mitgemacht. Wenn ich heute mit fast 71 Jahren zurückschaue und das kann ich noch sehr weit und recht genau und mit schärfster Kritik an mir selber so habe ich mich im Wandel der Zeit und der Weltanschauungen mit den Zeugnissen und Strebungen arg verbunden und mit ihnen im ewigen Wechsel. Und doch bin ich heute noch derselbe, der ich als junger denkender, fühlender und handelnder Mensch ehedem war, soweit ich zurückdenken kann. Ich bin doch nicht anders geworden. Und doch bin ich anders geworden, so wie ein Apfel, ein Apfel bleibt, und doch ein reifer Apfel anders mit der "Zeit" geworden ist und ist, als ein unreifer, noch nicht völlig ausgewachsener Apfel. Aber dieses Beispiel ist gleichwohl mit großer Vorsicht zu benutzen und zu verstehen Denn bei dem Menschen handelt es sich nicht in diesem Vergleich um die Reife seines äußeren Körpers und seiner inneren Organe wie beim Apfel, sondern um die Reife seines Innern wozu nur seine Seele, sein inneres Leben ("Charakter" kann man auch nicht einmal sagen) gehört, aber nicht sein Verstand und sein angelerntes Wissen. Es ist Willensumformung auf Grund innerer Einsichten in den Beziehungen der Menschen zueinander. Einsichten, die sich nicht mehr ändern können, da sie alles erfassen, was im Leben der Erdenmenschen dieses Planeten wesenhaft ist und sich seinem Wesen nach erst mit dem Vergehen ändern kann. Doch es ist Zeit, zur Ruhe zu gehen. Meine Absicht ist nicht restlos heute zu erfüllen. Ich muß mich bescheiden und der Pflicht folgen.


Tagebuch von 1890 von Hugo Groth 

(Schrägdruck: Anmerkungen beim Entziffern)

einzelne Blätter enthalten

erstens Fächer

zweitens Stundenplan

drittens: Regeln
Erstens die betreffenden Stunden einhalten

zweitens für jedes Fach je eine halbe Stunde
Drittens jedes Mal die bestimmten Arbeiten einhalten
Viertens jedes fremde Wort etc. sich bekannt machen.
Fünftens jeden Tag in der Bibel lesen, etwaige Verse auswendig lernen
Sechstens regelmäßig Tagebuch führen
Siebtens jeden Tag eine halbe Stunde Violine üben


Zweite
Seite Regeln

erstens stets auf Ordnung achten
Zweitens jeden Tag Holz hauen
Drittens jeden Tag 1 Stunde spazieren gehen
Viertens jeden Tag Wasser trinken
Fünftens für frische Luft sorgen
Sechstens die Ofentüre während der Nacht öffnen
Siebtens die Kleider rein machen
Achtens jeden Tag eine halbe Stunde Violine spielen.

Arbeiten

erstens ein Bücherverzeichnis anlegen

zweitens ein Konto Buch anlegen

drittens eine Sparbüchse (?) machen

viertens einen Sammelkasten für Korken

fünftens für Eisen

sechstens für Stecknadeln
Siebtens alle Bücher einbinden

achtens eine Garten unleserlich Maschine

neuntens ein kleines Adressbuch machen

zehnten sein Coursbuch anlegen

elftens einen Kompass anlegen

zwölftens einen Violinständer

13. einen Notenständer

Einrichtung Stundenplan

Bei der Einrichtung eines Stundenplans müssen Verwendung finden:

erstens täglich 1 Stunde spazieren gehen

weiter bis fünftens dazu eine ausführliche Aufstellung
Rubriken

erstens für entliehenen Bücher

zweitens für geliehene Bücher

drittens für Geburtstage

bis Nummer sieben

neue Seite: Fortsetzung des Stundenplans für den Winter bis abends zehn bis 11:00 Uhr: häusliche Arbeiten 


Violine spielen mit 8 Zeilen Text dazu

Wünsche

erstens ein Taschenmesser mit mehreren Klingen

zweitens neue Pantoffeln

drittens Hemden zu Manschettenknöpfen

viertens ein Violinständer

fünftens neue Manschetten

sechstens ein großes Notizbuch

siebtens

ein Reißzeug

achtens eine Uhrkette
Neuntens Manschettenknöpfe

Notizen aus einem englischen Werk etwa zehn Seiten

Tagebuch

den 17.10.1890

Sehe ein, dass das auf dem Papier Geschriebene allein nicht hilft, daß es aber sehr schwer ist, es in Wirklichkeit auszuführen. Habe bis jetzt gewiss gar nicht nach den vorgeschriebenen Regeln gelebt; muss mich erst daran gewöhnen. –


Habe heute in Griechisch übersetzen einen schlechten Nummer erhalten. Bin missgestimmt und habe keine große Lust. Gott gebe mir Kraft, Pflicht zu erfüllen.
Meine Gedanken weilen oft bei den Handwerkern und anderen unleserlich und ich finde Gefallen an ihrer Tätigkeit. Möchte auch solchen Beruf ergreifen, um mit demselben dann etwas unleserlich zu erreichen; denn ich fühle immer bei ihrem Anblicke eine große Kraft
Aber ich habe mir einen schwierigeren Weg, unleserlich beschwerlichen und sehr sehr mühseligen ausgesucht, und nun darf ich unleserlich meine Stellung erreichen.

Noch drei Seiten

21.10.1890

Habe heute mein griechisches Extempore zurückbekommen, ist eine 5 geworden. Es ist zwar sehr niederschlagend und so schlecht anzufangen, aber Beharrlichkeit führt zum Ziel, ich werde es auch mit Gottes Hilfe versuchen.
Schlechtes Wetter heute hat den ganzen Tag geregnet, noch eineinhalb Seiten


23.10.1890
Ich will jeden Tag unleserlich daran setzen, dass ich eine ganze Stunde mich dem Rechnen widme, und zwar will ich nach dem Büchlein von Herr Lettau unleserlich Unterricht arbeiten und zwar so, dass ich sowohl die Beispiele daraus rechne, als auch das, was zum Verständnis notwendig ist. eine halbe Seite folgt


29. Oktober 1890
Bis jetzt habe ich nichts privatim lernen können.
Gehe jetzt jeden Montag, Dienstag, Donnerstag, Sonnabend von acht bis 9:30 Uhr zum Ernst und gebe ihm Stunden, um mir Geld für die anzuschaffenden Bücher zu verschaffen. Eine Quelle hätte ich schon.
Ich habe öfter in der Schule Unglück (?), ich bin aber noch sehr schwach. 
Meinen Kenntnissen fehlt der festen Grund. Wie wird das werden?

Oh, dass auch ich eine ruhiges und gottgefälliges Leben führen möchte. Ich sehne mich danach, weiß aber nicht ,wie ich es anfangen soll. Bald probiere ich es  nach dieser, bald auf jene Weise, aber immer kommt nichts Gescheites heraus. Gott zeige mir den richtigen Weg.


5.11.1890

habe mir die Unterrichtsbriefe angeschafft (Französisch)
Ich will, da ich doch all zu schwach in den alten Sprachen bin, versuchen, mit Hilfe dieser Methode ein besserer Lateiner und Grieche zu werden.
Zunächst also werde ich mir einen Lateinstoff aussuchen und zwar einen, den ich früher schon gehabt habe, damit ich alles verstehe.
Dann werde ich erst eine ganz wörtliche Übersetzung schaffen.
Dann eine in gutem Deutsch.
Dann eine gegenseitige Übersetzung unleserlich

Ich werde es mit Griechisch und Latein eben so machen, wie unleserlich Langenscheidt und zwar täglich 1 Stunde.
Der Stoff soll sein für Latein unleserlich Livius (unleserlich)
Griechisch: Xenophon hellenische unleserlich Tyrannen unleserlich

Danach folgen sehr viele Übungen und Texte vor allem zu Lateinisch aber auch Hinweise zu Aussprache was für eine andere Sprache spricht.

Vorwort

Angespornt durch die Erfolge, die viele durch unleserlich Langenscheidt unleserlich Unterrichtsbriefe erzielt haben, will ich es versuchen, für Griechisch und Latein ein ebensolches Werk zu schaffen. Ich hoffe dadurch hauptsächlich meine schwachen Kenntnisse auf diesem Gebiete zu vervollkommnen und zu befestigen. Ich hoffe (?) alles so klar wie möglich ganz gehen (?) zu können. Wie weit das Werk geschehen unleserlich wird die Zukunft lehren.

13.11.1890

Danach viele unübersichtlichere Notizen etwa 15 Seiten


Notizen Hugo Groths aus dem 1. Weltkrieg 

ohne Jahr [vermutlich 1914]

Monat September

Mittwoch d. 9ten Nichts Neues. Mit Ungeduld wird die Zeitung erwartet. Lügennachrichten der Franzosen und Engländer. (Das Wetter wird wieder wärmer. Etwas bewölkt.) Gewalttaten an Verwundeten und Gefangenen. Das sind ihre Heldentaten.


Dienstag, d. 8ten Heute endlich einen Brief von der lieben Martha aus Langfuhr erhalten. Paul, gottlob!, noch wohl und munter. Hat Schreckliches miterlebt auf dem Schlachtfelde. Auf der Karte, die er an d. l. Martha geschrieben vom ... steht:

"- - - - Viele Bürger [In vielen Kreisen ist durchgestrichen] hier in M[?] sind ungehalten darüber, daß bei den größeren Siegen keine Glocken geläutet werden und Siegesfreude sich überhaupt nicht bemerkbar macht. Man weiß nicht recht ist es der Druck des Krieges, der auf die Bevölkerung lastet oder die Gleichgültigkeit, die diese Siege als selbstverständlich hinnimmt. Letzteres scheint mir die innere Ursache zu sein, zumal ja hier mitten im Lande abseits von dem Hauptverkehrsstrom die Begleiterscheinungen des Krieges sich kaum bemerkbar machen. Man sieht und hört zuwenig mit eigenen Augen und Ohren und was die Zeitung schreibt wirkt nur für kurze Zeit auf die Gemüter. Ausnahmen gibt es ja auch hier. Den meisten aber geht es offenbar noch zu gut. ["]

1. Hartmann erzählte, dass ein Spielgefährte von ihnen einen Knüppel so warf, daß er ein Schaufenster so traf, daß er senkrecht zu seiner Längsseite durchflog und nur ein etwas größeres Loch als er selber dick war dadurch entstand ohne Sprünge in der Scheibe zurückzulassen (Abstand von d. Jungen ungefähr 2 - 3 m) d. 19.9.14.

[...]

"Leni sagte bei Tisch: es heißt doch: Du sollst nicht töten und doch tun die Menschen es im Kriege. Wie können sie dann noch zu Gott beten?" [Bleistiftnotiz]