Hugo Groth. (geb. 19.6.1872 in Danzig, gest.
17.4.1972 in Treffurt Thüringen)
"Mit Gott fang' an mit Gott hör'
auf, das ist der beste Lebenslauf!
---- Unrecht Gut gedeihet nicht
Alles Mit Gott
Ordnung hilft haushalten. ------
Wer den Pfennig nicht ehrt,ist des
Thalers nicht wert
Kleine Ursachen, große Wirkungen
Wer geringe Mühe wenig acht', sich um
gering're Mühe macht."
Es folgen exakte Einnahmen und Ausgaben
Tabellen für die Zeit April 1895 bis Juli 1896. Dann folgt ein
"Verzeichnis der mir gehörigen Gegenstände. Arnsberg, im
Januar 1899 (?)". Diese Listen enden nach einigen Seiten und er
beginnt:
" 1905 ein Tag vor dem ersten
Advent: Hauschronik zu Nutz und Frommen der heranwachsenden lieben
Jugend entworfen und zusammengestellt, auch zur ergötzlichen und
friedlichen Erinnerung unserer selbst, wann wir im Alter einst
Rückschau halten über unseren Lebensweg. Hier folgt ein Zitat von
Horaz!
Gez. Hugo Groth, pater familias.
Warum ich auf die schnurrige Idee oder
besser auf den schnurrigen Einfall gekommen bin, eine Hauschronik zu
schreiben? Das will ich wohl beantworten. Es ist nicht das erste Mal,
dass ich den Versuch mache. Drei oder viermal habe ich schon damit
vor Jahren begonnen, Aber mit Ausnahme einiger Seiten oder einzelner
Sätze, die mein bestes Wollen dem neugierigen Leser versichern, ist
nichts weiter daraus geworden. Und wer weiß, was diesmal daraus
wird. Der Geist ist willig.
Warum ich nun gerade jetzt noch einmal
wieder damit mutig anfange, dass ich meine, diesmal wird wirklich
etwas daraus, das liegt daran, dass meine Stimmung besonders tief und
nachhaltig aufgerührt worden ist mit all dem Drum und Dran von
Vaterlands und Heimatliebe, von Liebe zu meinem Hauswesen und all den
großen und kleinen Krabben und dem verträumten Zauber, der sich auf
all die großen und winzigen Erlebnisse gelegt hat, die wir mit
unserem warmen und empfindsamen Herzen vor langem oder kurzem erlebt
hatten.Und was mir all die so vertrauten und so lieben Bilder,
Menschen und Erlebnisse wieder lebendig und geradezu zum Aufschreiben
dringend vor die Seele gerufen hat, das ist ein plattdeutsches
Büchlein gewesen: "Kasper Ohm un ick“ von John Brinkmann. Ich
habe das Buch schnell durchgelesen, vieles daraus vorgelesen und
einen Appetit danach bekommen, dass ichs gerne gleich wieder von
vorne anfange.
In diesem Büchlein, das des Lesens
wirklich wert ist,hat nür eine Stelle besonders Spaß gemacht, und
den Gedanken an eine Hauskronik in mir wieder wachgerufen, nämlich
die Stelle, wo der "Andrees" bei „Kasper Ohmen" den
"feinen Juktus(?)" lernen soll. Da sagt der Andrees zu
seinen jugendlichen Zuhörern: (den folgenden Text übertrage ich aus
dem Plattdeutschen, da das für mich nicht genau zu lesen ist)
" Eigentlich soll das
aufgeschrieben werden, Kinder! Kann sein dass das Kinder und
Kindeskinder noch Spaß macht, so eine alte Familienchronik von Anno
Tobak ............ und das gesamte Theatrum Mundi."
Und das mein ich auch; und weil es mir
so recht aus dem Herzen gesprochen ist, so hat es auch solche Wirkung
bei mir gehabt. Und nun wollen wir 'mal sehen, wie lange sie vorhält
und was daraus alles wird. Olpe,d. 30sten November1905. Hugo
(hier folgt ein kurzer Bericht über
einen Vortrag vom Vorabend über das "zweite Gesicht –der
"Spookenkieker" zu dem 300 bis 400 Zuhörer gekommen waren.
Dann dauert es ein Jahr bis zum nächsten Eintrag!)
Olpe, d. 3ten Oktober 1906
(Nach einigen spöttischen Bemerkungen
zur möglichen Kritik an der langen Schreibpause geht es so weiter:)
...... Ich täusche mich über mich
selbst gar nicht; allein ich stehe mitten in einem Wirbel, also kein
ruhiges oder eingleisiges Fahrwasser. Ich habe viele Interessen, ich
weiß von vielem Etwas und von vielem noch nichts, ahne aber dessen
Bedeutung für den Wert und die Wahrhaftigkeit des Lebens und werde
dabei unruhig, weil mich nichts mehr ärgern kann als wenn ich etwas
falsch oder unpraktisch mache. Die Erkenntnis besitze ich wohl, dass
unsere Anschauungen durch die geschichtliche Entwicklung und durch
unser beschränktes Wissen allezeit einem Fehler unterworfen werden,
allein das lässt mich nicht ruhig handeln, sondern nur danach
trachten die Klarheit und Wahrheit über die Dinge meiner Zeit mir zu
erwerben, die menschenmöglich ist und den Culminationspunkt
bedeutet. Somit habe ich die Verpflichtung eingeimpft bekommen (woher
ist mir gleich), zu lernen und zu suchen. Dabei gerät man in tausend
Fahrwässer, die alle von einem Punkte aus gehen als von dem einen
Wort (Werk ?) des Menschen "Bedürfnis"'. Somit werde ich
wohl noch eine Weile im Strudel herumgetrieben werden, bis ich selbst
die Kraft gewinne, aus dem Wirbel zu tauchen und am Ufer dem Spiel
der Wellen zusehe. Das will ich mal "mein Programm" nennen,
meine Lebensweisheit; ich fühle in mir die Kraft (heute wenigstens
nicht geringer als früher, eher stärker), Herr der Wellen zu
werden. Und ich habe das Vertrauen zu meinem Gott, dass Er mir den
rechten Weg weisen wird. Mögen andere Leute ganz anders handeln.
Chacun a son gout. Ich muß am besten wissen, wo mich der Schuh
drückt und kann nicht wissen, wie es im Gehirn anderer
Menschenkinder aussieht. Ich brauche also nun wohl keine Worte über
meine mangelhafte Berichterstattung zu verlieren. Nur das will ich
sagen, weil ich überzeugt bin, dass jede Gegenrede in einem Punkte
wenigstens Recht hat: ich hätte doch einige Worte zeitweise dem
Leser andeuten können, daß ich an mein Vorhaben wohl noch denke,
nur wegen Zeitmangel eine längere Beschreibung nicht niederlegen
kann. Das habe ich versäumt, das ist die gewohnte Schwäche; ich
habe bis heute überhaupt nicht mehr daran gedacht. Und auch heute
habe ich eigentlich mehr nur durch Zufall meine Chronik vorgenommen,
der ersten Seiten wegen, weil ich nämlich meine sämtlichen
Habseligkeit aufschreiben und bewerten will, der Ordnung halber, wie
ich ja auch sonst noch genug in meinem Hausstande zu ordnen und
praktisch einzurichten habe, Was mir mehr wert ist als selbst die
beste Chronik. Erst errichten, dann betrachten. So meine ich, ists
allein richtig. Daher geht mein Gedächtnis auch mal schlafen, wenn
eine Sache vorläufig in den Hintergrund tritt. Und dass ich davon
soviel Worte nun mache, das tu ich deshalb, weil ich annehme, meinen
Kindern wird es wohl einst auch einmal ergehen, sofern sie überhaupt
sich als lebensvoll und tatkräftige Menschen erweisen wollen. Und da
kann es ihnen ja leicht passieren, daß sie an sich selbst irre
werden und verzweifeln, indem sie meinen, sie bringen es zu nichts
durch dieses halbe und schwache Wesen. Ich glaube, ich werde ihnen
hiermit beweisen können, dass sie sich unnütz Sorgen machen. Nur
müssen sie die Gedanken ihrer Kindheit und ihre einstigen Wünsche
hochhalten als wären sie die eine Wahrheit. Abgesehen von der
kindlichen Liebhaberei . Kutscher oder Schornsteinfeger oder Soldat
oder sonst noch was ähnliches werden zu wollen: liegt in den
Wünschen, die geistig unser höchstes Interesse und unsere größte
Erregung einst hervorziehen, ein Stück Selbstbestimmung,
Zugehörigkeit, Lebensaufgabe. Und solange meine Kinder sich an diese
ihre kindlichen Gefühle noch erinnern können und warm dabei werden
solange haben sie noch nichts verloren oder vergessen oder sind dem
Strudel gegenüber zu schwach.
Ich höre jetzt außerdem auf, weiter
zu schreiben, weil mich dienstliche Aufgaben in Anspruch nehmen. Es
regnet stark und gleichmäßig vom Himmel. Außenarbeit ist nicht
möglich. So sitze ich denn im Zimmer und erledige zunächst mal
sogen. Officialarbeiten in der jedem Kenner geläufigen umständlichen
Form des preuß. Bureaukratismus. Ach! Dass ich noch Beamter geworden
bin ! Ich wünschte, ich könnte fliehen dorthin, wo allein die
Sache, die gute Sache gilt und vertreten wird und nicht irgendein
alter Zopf als Heiliger verehrt wird, namentlich wenn er voll Läusen
wimmelt, dass es einen schon überall juckt, wenn man nur an ihn
denkt.
Den 6ten Nov. 1906: (eine Notiz über
den Gebrauch des Wortes "Sage" als Substantiv zum Verb
"sagen".)
Mühlhausen i. Thür., den 16.Januar
1914. Soweit sind wir nun schon und nichts steht auf dem Papier,
sodaß die schöne Hausgeschichte wieder einmal ins Stocken gekommen
ist. Es gilt aber immer noch das, was ich auf den vorderen Blättern
einst geschrieben habe: " erst errichten, dann betrachten . Ich
könnte mich jetzt wieder einmal von Herzen aussprechen, allein neben
mir sitzt Hanna, mein Weib und will mit mir die Ausgaben besprechen
und Rechnung legen vom Haushalt und es ist schon bald 10 Uhr abends.
So magst du dich, liebes Buch noch ein wenig, gedulden; ich bleibe
dir doch treu.
Mühlhausen i. Thür., d. 12ten Januar
1919. Fünf Jahre sind vergangen, seitdem ich dies Büchlein wieder
aufgeschlagen habe. Was ist in dieser Zeit nicht alles geschehen! Der
Krieg, der seit dem 1ten August 1914 unsere Volkskraft in Spannung
und unser ganzes Sein mit Fesseln gehalten hat, er ist auch jetzt
noch nicht zu Ende. Wir genießen nur einen schmachvollen
Waffenstillstand, den unsere siegreichen Feinde jederzeit durch neue,
noch härtere Bedingungen unterbrechen wollen. Das linke Rheinufer
ist von uns den Bedingungen entsprechend geräumt worden, Cöln,
Coblenz, Düsseldorf u.s.w. sind vom Feinde besetzt, die besten
Schiffe, alle Unterseeboote sind abgeliefert. Tausende von
Eisenbahnwagen und Lokomotiven müssen wir abliefern, dgl. Flugzeuge,
Maschinengewehre, kurz unsere ganze Wehr und Waffen, und das alles,
obwohl wir nicht geschlagen sind, sonden in Feindesland tief noch
standen, Belgien in Besitz hatten und reichlich Menschen und Munition
u. die nötigen Lebensmittel fürs Heer besaßen! Unser Volk hat sich
selbst von unten und von oben her zersetzt, sodaß kein Verlaß mehr
auf die Truppen wenn auch nicht auf alle war.
Und jetzt herrscht die Sozialdemokratie
oder besser gesagt, sie muß sich ihrer Haut wehren gegen die
Bolschewisten, die Spartakusleute; es herrscht in Berlin die reinste
Anarchie. Jetzt zeigt sich auch für die gemäßigten Sozis, dass nur
eine auf bewaffnete Macht gestützte Herrschaft sich behaupten kann.
Denn selbst die besten Vorsätze und Reformen sind anderen Leuten
immer noch ein Dom im Auge.
Unser Kaiser ? ist nach Holland
geflüchtet. Er hat oder richtiger: er wurde gezwungen der Krone zu
entsagen. Und so ging es den anderen Fürsten und Gewaltigen auch.
Jetzt herrschen die Wahlagitationen zur Nationalversammlung, die am
19ten d. Mts. sein soll. Aber ob sie überhaupt und wo zu stande
kommen wird, ist bei dem Kampf der Unabhängigen Sozialdemokraten,
den Spartakusleuten oder Bolschewisten mit den gemäßigten Genossen
um die Herrschaft noch sehr, sehr zweifelhaft. Und jenen
Bolschewisten ist es auch ganz gleich, dass die Entente droht, in
Deutschland die Industriebezirke zu besetzen, wenn keine Ruhe und
Ordnung eintritt, sie wollen und sehen nur Ziel: Sturz der bisherigen
bürgerlichen Ordnung.
Ach! Was könnte man alles über die
traurige Lage schreiben, in der sich unser Vaterland jetzt befindet!
Im Osten spielen die Polen sich als Herrscher auf und verlangen
Zugang zur Ostsee, unserer alten Heimatstadt Danzig und Ostpreußen,
ganz zu schweigen von den alten ehemaligen polnischen Gebietsteilen,
die Preußen 1793 u.95 erhalten hat.
Unsere Älteste, Luise (geb.
10.2.1901), ist bei der Tante Hedwig in Essen a/Ruhr. Es geht ihnen
noch ganz gut. Bruder Paul ist noch mit Frau und dem jüngsten Kinde
in Berlin, die beiden Schwestern in Danzig. Wir sehnen uns nach
gegenseitiger Aussprache. Hanna besucht eifrig alle Wahlversammlungen
und sonstigen Vorträge, die die Frauen, die ja jetzt auch Stimmrecht
haben, über die Ziele der einzelnen Parteien aufklären sollen.
Besonders hat ihr vorgestern die Rede der demokratischen Rednerin
Frl. Dr. (Gertrud) Bäumer, einer älteren, im sozialen Kampf
ergrauten Dame, gefallen. Heute am Sonntag ist sie mit Heinrich
(geb.20.2.1904) in die Untermarktskirche gegangen, um dort einen
Vortrag des Seminardirektors Jung, der der deutschnationalen
Volkspartei angehört, über die Schule und den Religionsunterricht
zu hören. Ich habe ein schlimmes Bein seit Wochen und bin deswegen
in keiner Versammlung gewesen; es zieht mich auch nicht dahin, denn
ich kenne ja doch zu gut das wirkliche Spiel hinter den Kulissen. Ich
bin Demokrat von jeher, wenn ich auch als Beamter der konservativen
oder reaktionären Partei habe dienen müssen. Ich habe meine Pflicht
treu erfüllt, bin aber auch nichts weiter geblieben als ein
"Untertan“, ein Sklave der "staatserhaltenden“ Partei,
deren Parole lautet, wie ein Komiker (Otto Reuter) einmal sang:
"Halts Maul, und sing' die Wacht am Rhein!“
Mühlhausen i. Thür., d. 19. Jan. 1919
Heute ist also der große, wichtige Tag, der für die Zukunft unseres
weiten Vaterlandes bedeutungsvoll werden soll, der Tag zur
Nationalversammlung, an dem zum ersten Male Männer und Frauen
gemeinsam zur Wahlurne gehen, um die Männer und Frauen zu wählen,
die über die Ausgestaltung, besser gesagt, über den neuen Aufbau
unseres Vaterlandes gesetzlich beraten sollen. Wir gehören hier zum
36. Wahlkreis, Großthüringen. Wir haben in dem Gasthaus „zur
Wolfsschlucht" gewählt. Hanna und ich haben der
deutschdemokratischen Partei unsere Stimmen gegeben, trotz der
starken Bedenken, die wir haben, dass das so mächtige jüdische
Kapital samt ihrer allmächtigen Presse uns in seine Bahnen schleppen
wird. Wir sind aber voll Vertrauen, dass die starken, jetzt frei
gewordenen Volkskräfte ein gutes Gegengewicht bilden werden, um jene
fremden Gewalten in unserem deutschen Vaterlande uns dienstwillig
machen zu können. Der Tag ist ruhig verlaufen, die Wahl ging recht
von statten. Gott helfe weiter. "Arbeiten und nicht verzweifeln"
ist jetzt das Losungswort.
Mühlhausen i.Thür., den 11.Januar
1920 Jetzt ist es bald ein Jahr her, dass die Nationalversammlung die Geschicke
unseres Vaterlandes in den Händen hält. Viel ist gearbeitet worden, aber noch mehr
geredet und vor allem vorbeigeredet. Und noch eins: Im Hintergrund in
der Verwaltung sitzen noch genau jene reaktionären Hirne und
ehemaligen Herrschernaturen, die gerne die allgemeine Verwirrung
vergrößern und zu ihren Sonderbestrebungen benutzen. Denn leider
muß man sagen, dass es noch genug Menschen in unserem Vaterlande
gibt, die aus dem verlorenen Krieg und der gewesenen Revolution kaum
etwas anderes gelernt haben ,als das, dass die verwünschten
Sozialdemokraten an allem schuld sind und es höchste Zeit ist, dass
sie wieder ans Ruder kommen. Wie wenig verstehen doch solche auf sie
(sich?) und ihre angemaßte Gewalt eingebildeten Leute die Zeichen
der Zeit, denen man doch demutsvoll besinnlich und schuldbewusst
gegenüberzutreten hat, sei man wer oder was man wolle. Das "wir
sind allzumal Sünder" ist für solche Leute nicht geschrieben.
Ich habe schon oft vor Jahren, schon in Olpe zu Pastor Otten,
geäußert, dass unsere Zeit der der Zeitgenossen Luthers sehr
ähnlich ist. Es bildet sich in den Köpfen eine neue Reformation,
die nicht auf religiöse Mißstände sich beschränkt, sondern die
Persönlichkeit des Menschen zum Gegenstand hat. Das Erwachen des
Wertes des eigenen Ichs ist es, das in dem revolutionären Streben
der bisher in oft drückender Abhängigkeit lebenden Arbeiterklassen
im tiefsten Grunde sich regt. Dabei darf man zu den Arbeitern nicht
nur die Handarbeiter zählen, sondern auch die Kopfarbeiter und zwar
hinauf bis in die mittleren Beamtenkreise, denen ich auch angehöre.
Was nun dies Jahr bringen wird?
Zunächst am 10ten Januar endlich (?) den ratifizierten Frieden. Es
kümmerte sich von der Menge wohl kein Mensch mehr eigentlich um
diese Formhandlungen, wenn nicht dadurch endlich unsere Gefangenen
uns zurückgegeben werden müssten. Übrigens machen sich die
Gefangenen oft ein falsches Bild von der Heimat. Ich kenne Leute, die
es nur bedauern , wieder in der Heimat zu sein, weil sie es in der
Gefangenschaft d.h. für die mir bekannten Fälle allerdings immer
englische Gefangenschaft besser hatten als jetzt daheim. So schlecht
hatten sie es sich in der Heimat doch nicht vorgestellt. Was soll nun
werden? Wir sehen mit Grauen in die Zukunft. Jetzt fangen schon
wieder wilde Streiks an. Luise, die zurück nach Essen zur Schwester
Hedwig fahren soll, weil die Weihnachtsferien zu Ende sind, kann
nicht fahren, weil in Schwerte und auf anderen Stationen von den
Eisenbahnern gestreikt wird. Die Teuerung wird immer größer, und
trotz der Teuerungszulagen haben die Beamten durch den deutschen
Beamtenbund die Erhöhung derselben um 150% gefordert. Die
Eisenbahner fordern jetzt einen Stundenlohn von 3,50 M. Die
Kommunisten halten Vorträge über den baldigen Untergang der
bestehenden Regierung. Die Unzufriedenheit der verschiedensten
Berufsgruppen wächst täglich. Dabei machen sich in gewissen
Kreisen, d.h. in solchen, die auf irgendwelche Weise jetzt billig
Geld verdienen (es sind solche Leute von oben bis in die einfachsten
Arbeiterkreise zu finden) Luxus und Genusssucht in übler Weise
bemerkbar. Wer könnte lange bei all dem Hässlichen bleiben, das
sich jetzt wie übrigens auch schon vor der Revolution so
erschreckend breit macht. Ich kann und will keine Geschichte der Zeit
schreiben, ich will nur hin und wieder Dinge berühren, die uns in
unserem engeren Kreise zu einer bestimmten Stellungnahme zu ihnen
veranlassen und damit unser persönliches Ich nachhaltig beunruhigen
und beeinflussen. Jetzt hat endlich mein Bruder Paul in Danzig einen
Raum für eine Werkstätte gefunden und dazu im Vorderhaus ein
kleines Büdchen. Er will mit seinem Freunde Budzinski, den er bei
Windler in Berlin kennen gelernt hat, und der ein hervorragender Kopf
im Konstruieren von Maschinen ist, zusammen eine Werkstatt eröffnen,
die er mir bezeichnet als: Werkstätten für Feinmechanik,
Vernickelungs Anstalt, Künstliche Glieder und Apparatebau,
Konstruktionsbüro, Reparaturwerkstatt. Er ist noch am Einrichten.
Aber was kostet das jetzt alles. Er hat sich 30.000 M. geborgt und
sie auf sein Haus in Langfuhr, Ernsthausenstr. 10 eintragen lassen.
Gott helfe ihm! Wir wollen nicht müde werden in innerer Sammlung
unsere schwachen Kräfte zu ordnen u. für unsere Ziele uns in
stiller ruhiger Arbeit vorzubereiten, damit, wenn die nächsten
Wochen uns vor neue Tatsachen stellen, wir ihnen klar entgegentreten
können und die rechten Folgerungen daraus ziehen, sodaß uns der
Strudel nicht mit in den Abgrund reißt. Wir stehen in Gottes Hand.
Zum Schreiben keine Ruhe und keine Zeit
gehabt bis heute Nordhausen,d.8.Febr. 1937
Heute mehrere Stunden mit Schwester
Hedwig die Briefe und Familienurkunden durchforscht wegen der Familie
Katz, von der wir durch unsere Großmutter Auguste Dorothea Katz,
geb. 14.8.1809, gest. 26.2.1889 zu Gr. Garde i. Pom. abstammen.
Nordh. d.8.Febr. 1937 am Geburtstage meiner lieben Mutter Luise
Groth, geb. Krummreich. Hugo Groth, Vermessungsrat.
Nordhausen, d. 3. Oktober 1937.
Erntdankfest! Unser Führer, Adolf Hitler, spricht auf dem Bruckberg
zu Hunderttausenden unserer Volksgenossen. Ein selten schöner
Herbsttag. Wir, Martha, Hedwig und ich haben den Nachmittag im "Parkschlößchen" bei Kaffee und Zwetschgenkuchen gemütlich
verlebt. Die herbstliche Färbung der Baumkronen und des Himmels, die
Stille der milden Luft und das behagliche Wandern und Schlendern der
Spaziergänger rufen ein wonniges Behagen in uns allen hervor. Welch'
eine Wandlung in unserem Vaterland seit unser Führer am 30. Januar
1933 Kanzler des deutschen Reiches wurde! Und nun die "Achse
Berlin Rom" : Hitler Mussolini! der Besuch des italienischen
Regierungschefs Mussolini in Berlin und bei den Manövern im
Pommernlande in der vergangenen Woche war und bleibt das größte
politische Ereignis dieses Jahres. Zwei Friedensfürsten ohne adlige
irdische Abstammung aber geistiger Berufung!
Nun bin ich seit dem 30sten September
„ledig aller Pflicht“ dem Staate gegenüber und kann nun mein
"Privat" Leben mir nach meinem Willen gestalten. Meine
Entlassungsurkunde ist mir wegen dienstlicher Verhinderung von meinem
Vorgesetzten Regierungs- u. Kulturrat Steinbach noch nicht
ausgehändigt worden. Meine Arbeiten in meiner letzten Umlegungssache
Wendehausen b/Treffurt a.d.Werra habe ich noch bis zum 29sten
September d.J. soweit erledigt, dass die geringen Restarbeiten auch
von jedem anderen meiner Amtsgenossen, ohne Schwierigkeiten zu
befürchten, zu Ende geführt werden können. – Ich bin dessen sehr
froh und scheide mit einem beruhigenden Gefühl der Zufriedenheit
darüber aus meiner dienstlichen Tätigkeit. Alle meine Arbeit habe
ich jederzeit unter den Segen Gottes gestellt und bin gewiß, dass Er
sie für alle beteiligten Menschen gesegnet hat. – Mein Leben wird
weiter ein "Arbeiten“ sein an mir für Alle, die meiner
bedürfen, soweit ich ihnen nach dem Willen der ewigen Liebe etwas
sein darf und muß um meiner ewigen Art und Kraft willen.
Am Sonnabend, den 2ten Oktober bin ich
auf das hiesige Amtsgericht gegangen und habe dort meinen Austritt
aus der evangelisch lutherischen Kirchengemeinde angemeldet. Wie der
Beamte mir sagte, erhalte ich in nächster Zeit noch eine
Bescheinigung darüber. Ich hatte bisher mit dem Austritt um der
Einstellung meiner Schwestern und Kinder willen gewartet. Doch nun,
da meine Tochter Leni mich gebeten hat bei ihrem am 25. Septbr.
geborenen Töchterlein Pate zu sein, muß ich den längst
beabsichtigten Schritt tun. Ich ehre allen frommen Glauben. Und keine
Glaubensform ist mir verächtlich und des Spottes wert. Nur bin ich
darum frei von jeder kirchlichen Bindung und mag sie heute auch den
"Gläubigen" kaum spürbar sein. Sie ist doch da und muß
der Glaubensform wegen da sein, wenn das "Bekenntnis" nicht
in eitel Dunst sich wider Willen doch verschleiern soll. Mein
Blickfeld ist durch die Lehre meines hohen Lehrers Bo Yin Ra so
geweitet worden, dass alle Glaubensformen in mir Platz und Raum zum
Ausbreiten haben. Was soll mir da noch ein "Bekenntnis"
kirchlicher Eigen-Art!? Ewige Liebe! forme mich nach Deiner
ewigen Schöpferkraft
Wendehausen, den 5.April 1942
Es ist still um mich in meinem Zimmer.
Nur von außen dringt das Geschrei von Hühnern aus der Ferne zu mir
und polternd stürzt das Wasser im Haselbach über die Steinstufe vor
dem tiefen Kolk, den es jagend im tollen Tanze mit den klobigen
Eisblöcken bei der Schneeschmelze in das Bett des Baches gerissen
hat. Aber das Ticken der alten Uhr auf dem Wäscheschränkchen neben
mir kann er doch nicht übertönen. Der Himmel ist mit Wolken
überzogen; sie stehen im Kampfe mit der Sonne, die schon einmal
schüchtern auf mein Tagebuch fiel, aber ihre Neugier nicht lange
befriedigen konnte, weil die wandernden Wolken sich wieder
zusammenballten. Jetzt sind sie wieder auseinandergegangen und das
Wasserblau des Himmels kommt überall zum Vorschein; und jetzt fällt
auch wieder ein kräftiger Sonnenstrahl auf meinen Schreibtisch. Der
Wald an den Bergrücken, die mein breites Fenster wie zwei schwer im
Bilde daliegende langgestreckte Kulissen rechts und links begrenzen,
ist noch schwarz, und braun schimmert zwischen den hohen schlanken
Stämmen das dürre Laub des Vorjahres hervor. Auch die Wiesen zeigen
noch ihre schmutzig grüne Farbe, und die Obstbäume auf ihnen stehen
noch nackt und wie tot in den berasten Obstgärten, auf die mein
Blick fällt, wenn ich meine Augen vom Buch erhebe und durchs Fenster
schaue. Und doch ist es Frühling. Die Vögelchen haben heute früh
gar fröhlich den ersten Ostertag begrüßt und ihre Lebenslust
hinausgeschmettert wie zum Trotz, damit die beklommenen
Menschenherzen es auch ja glauben sollen, dass es wirklich Frühling
ist. Die Häuser aber stehen schweigend da und kein Mensch ist zu
sehen und zu hören. Ich habe sie aber doch vor einer Weile gesehen.
Nun sind sie in ihrer Kirche zum Gottesdienst versammelt und feiern
die Auferstehung des Herrn, unseres Erlösers aus den Banden des
Fürsten dieser Erde, des "Fürsten der Finsternis“ wie ihn
Jesus von Nazareth genannt hat.
Es ist gut, dass Ostern wieder da ist,
und der Winter mit dem vielen vielen Schnee, der seit drei Monaten
die Saaten schwer bedrückt und fast überall hier erstickt hat, nun
endlich der immer höher steigenden Sonne weichen musste. Denn nun
sind es schon zwei und einhalb Jahre, dass der alle Länder
umfassende Krieg tobt und seine Opfer fordert am Gut und Blut der
Menschen. Und es ist ihnen allen wohl zu gönnen, wenn der Glaube
unsere Frontkämpfer beseelt, dass in diesem Jahre die Entscheidung
fällt. Nun ist schon seit dem 1.September 1939 dieser Krieg gegen
Deutschland und seine beiden Hauptverbündeten Italien und Japan
entbrannt. Am 4. September 1939 wurde Heinrich im Kampf gegen die von
Gdingen her rückenden Polen bei Groß Katz schwer verwundet. Jetzt
ist er aus dem Heeresdienst ausgeschieden als Versehrter und, da er
Dipl. Ing. des Tiefbaues ist, in Riga bei dem Reichskommissar für
das Ostland, Hauptabteilung IV, Abteilung: Wasserstraßen tätig.
Dort hilft er an dem Aufbau und Ausbau unseres größeren Deutschland
schon jetzt im Kriege mit. Möge seine Arbeit gesegnet sein für uns
und die befreiten Völker des Ostens.
Wendehausen, den 7.April 1942
Vor acht Tagen habe ich hier meinen
Gedanken und Gefühlen Ausdruck geben wollen. Wie es aber im Leben
hier auf Erden ist: die Zeit vergeht, und der Tag fordert seine
anderen Lebensrechte und ich muß eingebettet oder auch eingewoben im
Ganzen mich dem neuen Geschehen fügen. So bleibt alles "Stückwerk"
und kann nur durch meinen Formwillen zu einem Ganzen später und
allmählich noch verbunden und gestaltet werden. Es ist ein mühsames
Werden. Wohl uns, wenn es noch "werden" kann in uns und
durch uns! Es ist dieselbe Tageszeit wie vor acht Tagen. Stille
umfängt mich und es ist so, als wäre noch nichts anders geworden.
Nun sitze ich schon seit dem 29.März (einem Sonnabend) vorigen
Jahres (1941) hier in diesem kleinen Ort, an dem ich sechs Jahre
dienstlich tätig war und schon 5 Jahre vorher bei der Familie Karl
Hardegen wohnte, als ich als "Sachlandmesser" in dem
benachbarten Schierschwenda, einem kleinen Höhendorf, die
Grundstücksumlegung nebst der Wege- und Grubennetz
Neugestaltung ausführte.
Wendehausen, den 14. März 1943
Es ist heute Sonntag, abends ¾ 9 Uhr.
In meiner warmen Stube habe ich um ½ 7 nachm. mein Abendbrot
verzehrt und dabei des verflossenen Tages gedacht. Es war mir beim
Spaziergang heute Nachmittag um ¼ 6 durch den Mühlberg, einen
bewaldeten Berg am Bahnhof, bei dem schönen trockenen Märzwetter so
recht feierlich zu Mute, als ich langsam den Waldweg nach
Schierschwende hinaufstieg. Niemand störte mich, nur das dürre Laub
raschelte unter meinen Füßen und leiser Vogelruf drang aus der
stillen Weite und Einsamkeit zu mir und bewegte meine Seele tief, daß
ein unsagbar friedvolles Gefühl meine Seele rührte. Mein Auge trank
sich satt an den Linien der Berge, die sich im Tal wie schwere
Kulissen in der Ferne Dunst verloren, im Hintergrund matt überragt
von einem geraden Bergrücken, auf dem nur einzelne Bäume sichtbar
waren. Die Sonne schien noch rechts über den Wipfeln des Ölberges,
doch im Tale breitete sich schon der Schatten bis in den fernen
Hintergrund aus.
Meine Seele spricht zu mir aus meinem
Innersten. Was sie aber sagt, ist nicht in Worte zu kleiden. Stumm
bin ich vor mir selber und selbst meine Gedanken wagen es nicht,
diese tiefe Stille zu stören. In solchen Augenblicken bin ich mir
selber fremd. Und eine brennende Sehnsucht zehrt an mir und kann doch
nicht gestillt werden. Warum schreibe ich dies alles auf? Wen geht's
was an?! Ein jeder muß seinen Weg wandern. Und wenn es Eheleute
sind.
Ich habe soweit ein anderer Mensch dies
beurteilen kann noch keine Eheleute gefunden, die so eins miteinander
waren, dass man sagen konnte: einer lebt das Leben des anderen mit.
Es gibt aber solches Mit- und Ineinanderleben. Es soll sehr selten sein. Ich wollte es auch leben.
Ich habe es aber doch nicht fertig gebracht, trotz ständigen Mühen.
Ich war, als ich heiratete, offenbar noch nicht "reif“ zum
Heiraten, Und ich hätte auch noch gewartet; aber ich sorgte mich um
meine Braut. Hanna war 1 Jahr und rund 7 Monate älter als ich. Und
es hieß unter den Leuten: eine Frau mit 30 Jahren gebiert schwerer
als wenn sie noch jünger ist. Da sorgte ich mich um meine junge
Liebe, denn Hanna war 1899, als wir im Dezember heirateten, schon 29
Jahre alt, sie hat am 24. November Geburtstag. Heute weiß ich, dass
solche Rede dummes Zeug ist. Damals aber vor 44 Jahren war ich noch
nicht frei von allem dem, was die Menschen einander alles in bester
Absicht sagen und raten. Ich war und bin ja auch heute noch ein
"Zeitgenosse"; ein Kind meiner Zeit war ich immer gewesen
und habe alle Irrtümer mit meinen Alters und anderen Zeitgenossen
mitgemacht. Wenn ich heute mit fast 71 Jahren zurückschaue und das
kann ich noch sehr weit und recht genau und mit schärfster Kritik an
mir selber so habe ich mich im Wandel der Zeit und der
Weltanschauungen mit den Zeugnissen und Strebungen arg verbunden und
mit ihnen im ewigen Wechsel. Und doch bin ich heute
noch derselbe, der ich als junger denkender, fühlender und handelnder Mensch ehedem
war, soweit ich zurückdenken kann. Ich bin doch nicht anders
geworden. Und doch bin ich anders geworden, so wie ein Apfel, ein
Apfel bleibt, und doch ein reifer Apfel anders mit der "Zeit"
geworden ist und ist, als ein unreifer, noch nicht völlig
ausgewachsener Apfel. Aber dieses Beispiel ist gleichwohl mit großer
Vorsicht zu benutzen und zu verstehen Denn bei dem Menschen handelt
es sich nicht in diesem Vergleich um die Reife seines äußeren
Körpers und seiner inneren Organe wie beim Apfel, sondern um die
Reife seines Innern wozu nur seine Seele, sein inneres Leben
("Charakter" kann man auch nicht einmal sagen) gehört,
aber nicht sein Verstand und sein angelerntes Wissen. Es ist Willensumformung auf Grund innerer
Einsichten in den Beziehungen der Menschen zueinander. Einsichten,
die sich nicht mehr ändern können, da sie alles erfassen, was im
Leben der Erdenmenschen dieses Planeten wesenhaft ist und sich seinem
Wesen nach erst mit dem Vergehen ändern kann. Doch es ist Zeit, zur
Ruhe zu gehen. Meine Absicht ist nicht restlos heute zu erfüllen.
Ich muß mich bescheiden und der Pflicht folgen.
Tagebuch
von 1890
von
Hugo Groth
(Schrägdruck:
Anmerkungen beim Entziffern)
einzelne
Blätter enthalten
erstens
Fächer
zweitens
Stundenplan
drittens:
Regeln
Erstens
die betreffenden Stunden einhalten
zweitens
für jedes Fach je eine halbe Stunde
Drittens
jedes Mal die bestimmten Arbeiten einhalten
Viertens
jedes fremde Wort etc. sich bekannt machen.
Fünftens
jeden Tag in der Bibel lesen, etwaige Verse auswendig
lernen
Sechstens
regelmäßig Tagebuch führen
Siebtens
jeden Tag eine halbe Stunde Violine üben
Zweite
Seite
Regeln
erstens
stets auf Ordnung achten
Zweitens
jeden Tag Holz hauen
Drittens
jeden Tag 1 Stunde spazieren gehen
Viertens
jeden Tag Wasser trinken
Fünftens
für frische Luft sorgen
Sechstens
die Ofentüre während der Nacht öffnen
Siebtens
die Kleider rein machen
Achtens
jeden Tag eine halbe Stunde Violine spielen.
Arbeiten
erstens
ein Bücherverzeichnis anlegen
zweitens
ein Konto Buch anlegen
drittens
eine Sparbüchse (?) machen
viertens
einen Sammelkasten für Korken
fünftens
für Eisen
sechstens
für Stecknadeln
Siebtens
alle Bücher einbinden
achtens
eine Garten unleserlich Maschine
neuntens
ein kleines Adressbuch machen
zehnten
sein Coursbuch anlegen
elftens
einen Kompass anlegen
zwölftens
einen Violinständer
13.
einen Notenständer
Einrichtung
Stundenplan
Bei
der Einrichtung eines Stundenplans müssen Verwendung finden:
erstens
täglich 1 Stunde spazieren gehen
weiter
bis fünftens dazu eine ausführliche Aufstellung
Rubriken
erstens
für entliehenen Bücher
zweitens
für geliehene Bücher
drittens
für Geburtstage
bis
Nummer sieben
neue
Seite:
Fortsetzung des Stundenplans
für den Winter
bis abends zehn bis 11:00 Uhr: häusliche Arbeiten
Violine
spielen mit
8
Zeilen
Text dazu
Wünsche
erstens
ein Taschenmesser mit mehreren Klingen
zweitens
neue Pantoffeln
drittens
Hemden zu Manschettenknöpfen
viertens
ein Violinständer
fünftens
neue Manschetten
sechstens
ein großes Notizbuch
siebtens
ein
Reißzeug
achtens
eine Uhrkette
Neuntens
Manschettenknöpfe
Notizen
aus
einem englischen Werk etwa zehn Seiten
Tagebuch
den
17.10.1890
Sehe
ein, dass das auf dem Papier Geschriebene allein nicht hilft, daß es
aber sehr schwer ist, es in Wirklichkeit auszuführen. Habe bis jetzt
gewiss gar nicht nach den vorgeschriebenen Regeln gelebt; muss mich
erst daran gewöhnen. –
Habe
heute in Griechisch übersetzen einen schlechten Nummer erhalten. Bin
missgestimmt und habe keine große Lust. Gott gebe mir Kraft,
Pflicht zu erfüllen.
Meine
Gedanken weilen oft bei den Handwerkern und anderen
unleserlich
und ich finde Gefallen an ihrer Tätigkeit. Möchte auch solchen
Beruf ergreifen, um mit demselben dann etwas unleserlich
zu erreichen; denn ich fühle immer bei ihrem Anblicke eine große
Kraft
Aber
ich habe mir einen schwierigeren Weg, unleserlich
beschwerlichen und sehr sehr mühseligen ausgesucht, und nun darf ich
unleserlich
meine
Stellung erreichen.
Noch
drei Seiten
21.10.1890
Habe
heute mein griechisches Extempore zurückbekommen, ist eine 5
geworden. Es ist zwar sehr niederschlagend und so schlecht
anzufangen, aber Beharrlichkeit führt zum Ziel, ich werde es auch
mit Gottes Hilfe versuchen.
Schlechtes
Wetter heute hat den ganzen Tag geregnet,
noch eineinhalb Seiten
23.10.1890
Ich
will jeden Tag unleserlich
daran setzen, dass ich eine ganze Stunde mich dem Rechnen widme, und
zwar will ich nach dem Büchlein von Herr Lettau unleserlich
Unterricht arbeiten und zwar so, dass ich sowohl die Beispiele daraus
rechne, als auch das, was zum Verständnis notwendig ist. eine
halbe Seite folgt
29.
Oktober 1890
Bis
jetzt habe ich nichts privatim lernen können.
Gehe
jetzt jeden Montag, Dienstag, Donnerstag, Sonnabend von acht bis 9:30
Uhr zum Ernst und gebe ihm Stunden, um mir Geld für die
anzuschaffenden Bücher zu verschaffen. Eine Quelle hätte ich
schon.
Ich
habe öfter in der Schule Unglück (?),
ich bin aber noch sehr schwach.
Meinen
Kenntnissen fehlt der festen Grund. Wie wird das werden?
Oh,
dass auch ich eine ruhiges und gottgefälliges Leben führen möchte.
Ich sehne mich danach, weiß aber nicht ,wie ich es anfangen soll.
Bald probiere ich es nach dieser, bald auf jene Weise, aber
immer kommt nichts Gescheites heraus. Gott zeige mir den richtigen
Weg.
5.11.1890
habe
mir die Unterrichtsbriefe angeschafft (Französisch)
Ich
will, da ich doch all zu schwach in den alten Sprachen bin,
versuchen, mit Hilfe dieser Methode ein besserer Lateiner und Grieche
zu werden.
Zunächst
also werde ich mir einen Lateinstoff aussuchen und zwar einen, den
ich früher schon gehabt habe, damit ich alles verstehe.
Dann
werde ich erst eine ganz wörtliche Übersetzung schaffen.
Dann
eine in gutem Deutsch.
Dann
eine gegenseitige Übersetzung unleserlich
Ich
werde es mit Griechisch und Latein eben so machen, wie unleserlich
Langenscheidt
und zwar täglich 1 Stunde.
Der
Stoff soll sein für Latein unleserlich
Livius
(unleserlich)
Griechisch:
Xenophon hellenische unleserlich
Tyrannen
unleserlich
Danach
folgen sehr viele Übungen und Texte vor allem zu Lateinisch aber
auch Hinweise zu Aussprache was für eine andere Sprache
spricht.
Vorwort
Angespornt
durch die Erfolge, die viele durch unleserlich
Langenscheidt unleserlich
Unterrichtsbriefe erzielt haben, will ich es versuchen, für
Griechisch und Latein ein ebensolches Werk zu schaffen. Ich hoffe
dadurch hauptsächlich meine schwachen Kenntnisse auf diesem Gebiete
zu vervollkommnen und zu befestigen. Ich hoffe (?)
alles so klar wie möglich ganz gehen (?)
zu
können. Wie weit das Werk geschehen unleserlich
wird die Zukunft lehren.
13.11.1890
Danach
viele unübersichtlichere Notizen etwa 15 Seiten
Notizen Hugo Groths aus dem 1.
Weltkrieg
ohne Jahr [vermutlich 1914]
Monat September
Mittwoch
d. 9ten Nichts Neues. Mit Ungeduld wird die Zeitung erwartet.
Lügennachrichten der Franzosen und Engländer. (Das Wetter wird
wieder wärmer. Etwas bewölkt.) Gewalttaten an Verwundeten und
Gefangenen. Das sind ihre
Heldentaten.
Dienstag, d. 8ten Heute endlich einen
Brief von der lieben Martha aus Langfuhr erhalten. Paul, gottlob!,
noch wohl und munter. Hat Schreckliches miterlebt auf dem
Schlachtfelde. Auf der Karte, die er an d. l. Martha geschrieben vom
... steht:
"- - - - Viele Bürger [In vielen
Kreisen ist durchgestrichen] hier in M[?] sind ungehalten
darüber, daß bei den größeren Siegen keine Glocken geläutet
werden und Siegesfreude sich überhaupt nicht bemerkbar macht. Man
weiß nicht recht ist es der Druck des Krieges, der auf die
Bevölkerung lastet oder die Gleichgültigkeit, die diese Siege als
selbstverständlich hinnimmt. Letzteres scheint mir die innere
Ursache zu sein, zumal ja hier mitten im Lande abseits von dem
Hauptverkehrsstrom die Begleiterscheinungen des Krieges sich kaum
bemerkbar machen. Man sieht und hört zuwenig mit eigenen Augen und
Ohren und was die Zeitung schreibt wirkt nur für kurze Zeit auf die
Gemüter. Ausnahmen gibt es ja auch hier. Den meisten aber geht es
offenbar noch zu gut. ["]
1. Hartmann erzählte, dass ein
Spielgefährte von ihnen einen Knüppel so warf, daß er ein
Schaufenster so traf, daß er senkrecht zu seiner Längsseite
durchflog und nur ein etwas größeres Loch als er selber dick war
dadurch entstand ohne Sprünge in der Scheibe zurückzulassen
(Abstand von d. Jungen ungefähr 2 - 3 m) d. 19.9.14.
[...]
"Leni sagte bei Tisch: es heißt
doch: Du sollst nicht töten und doch tun die Menschen es im Kriege.
Wie können sie dann noch zu Gott beten?" [Bleistiftnotiz]